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Zukünftiges ruht auf Vergangenem – zur Geschichte des Rudolf Steiner Institutes Kassel

Von Johannes Wolter

Eine Betrachtung vergangener Ereignisse kann darauf aufmerksam machen, wie viel jeder Mensch anderen verdankt. Es kann, auf diesem Hintergrund, in einer Zeit fortschreitender Egoismen als heilsam erlebt werden, wenn der Impuls eines Gemeinschaftswerkes möglich wurde und nachhaltig Bestand hat.

Das Rudolf Steiner Institut Kassel entstand – wie das Lehrerseminar in Kassel – aus der 1930 gegründeten Freien Waldorfschule, die nach der von den Nationalsozialisten betriebenen Schließung schon 1946 wieder eröffnet wurde.

Ende der 60iger Jahre entwickelte vor allem Erhard Fucke eine Oberstufe mit einer Doppelqualifikationsmöglichkeit, durch die schulische und berufliche Bildungsabschlüsse (Metall-, Elektro-, ErzieherInnen- und Holzausbildung) erreicht werden konnten und bis heute können. Dieser Modellversuch allgemeiner und beruflicher Bildung wurde in das Experimentalprogramm des Bundesministeriums für Bildung und Wissenschaft aufgenommen.

1972 werden die ersten staatlich anerkannten Abschlüsse in der Erzieherausbildung und im Werkstattbereich erreicht. Durch Gesine Fay und andere KollegInnen wird der ErzieherInnenzweig der Waldorfschule weiterentwickelt und 1985 zusammen mit Manfred Schulze und Johannes Wolter zum selbständigen Waldorf- ErzieherInnen- Seminar umgewandelt. Dieses hat von Beginn an eine sogenannte triale Ausbildungsmethode in der inhaltliches, künstlerisches und praktisches Lernen gleichwertig sind. Zur Gewinnung von weiteren Fachschülern wird ein Proseminarjahr eingerichtet, zu dem Teilnehmer aus dem ganzen Bundesgebiet kommen.

Schon bald sind die Räumlichkeiten zu beengend und die Überlegungen und Planungen für einen gemeinsamen Neubau von Waldorf- ErzieherInnen- Seminar ,Anthroposophischer Gesellschaft in Kassel und anderen Initiativen beginnen. Auf Initiative von Rosemarie Bünsow, Ehepaar Bielefeld, dem Kollegium des Institutes und anderen wird in der Fachschule und in dem Zweig der Anthroposophischen Gesellschaft in Deutschland um die inhaltliche Ausrichtung und Umsetzung eines zukünftigen und tragfähigen Konzeptes gerungen. Das Grundstück ist seit 1978 im Besitz des Vereins Anthroposophisches Zentrum e.V. und liegt an zentraler Stelle wenige Gehminuten von dem damals im Bau befindlichen ICE Bahnhof Kassel- Wilhelmshöhe (Eröffnung 1991).

Es kommt zu umfangreichen Recherchen, Planungen (u.a. auf der Documenta 7 in einem hunderttägigen künstlerischen Workshop), zu Konzeptions- und Finanzierungsbemühungen. Mit dem Büro Portusbau (Wilfried Reindl), der Waldorfkindergartenvereinigung in Deutschland, der Waldorfschule und dem Berufsbildenden Gemeinschaftswerk Kassel e.V., der Anthroposophischen Gesellschaft Deutschland und ihren regionalen Zweigen, Stiftungen, Verbänden und Vereinen kommt es schließlich zu einem Finanzierungskonzept (inklusive einer Zonenrandmittel-Förderung (!) des Bundes) für das 16,5 Mio. DM Projekt. Das macht den Baubeschluss und am 03.07.1990 – mitten in die Wiedervereinigung Deutschlands hinein – die Grundsteinlegung möglich. Möglich in einer Stadt, die nun in der Geographischen Mitte Deutschlands liegt und ein Ort alten Rosenkreuzer Wirkens, ist an dem R. Steiner über Jahre eine reiche anthroposophische Vortragstätigkeit entfaltet und im Januar 1907 die heutige Anthroposophische Gesellschaft Kassel begründet.

Am 04.11.1990 bekommt die Arbeit des Waldorf- ErzieherInnen- Seminars einen neuen Rechtsträger. In einem Festakt gründen die Kollegen Gesine Fay, Manfred Schulze, Christiane Stantina (†), Liesel Vietor und Johannes Wolter zusammen mit den anwesenden Kollegen der deutschen DozentInnenkonferenz der Kindergarten Seminare und VertreterInnen der Kasseler Einrichtungen das Rudolf- Seiner- Institut für Sozialpädagogik e.V. Es tritt mit in die Trägerschaft des Hauses (www.az-kassel.de) ein, in dem es die zukünftige Ausbildungsarbeit nun auf ca.1400 Quadratmetern, dem dreifachen der bisherigen Fläche, entfalten wird.

Durch mehrwöchige Baueinsätze von StudentInnen und DozentInnen wird zum August 1992 der Einzug in das Haus und die Eröffnung der inzwischen entwickelten und genehmigten staatlich anerkannten Fachschule für Heilpädagogik möglich. Zu Michaeli 1992 findet eine Festwoche für das „gelungene Bauwerk“ mit der „Akustischen Glanzleistung“ im Großen Saal des Anthroposophischen Zentrums Kassels statt. Damit wird unter Anwesenheit von nationalen und internationalen Gästen ein Bauimpuls realisiert, indem die Arbeit der Anthroposophischen Gesellschaft in einem Haus zusammen geht mit den sozial- und volkspädagogischen Zukunftsimpulsen einer Ausbildungsstätte. Die gemeinnützigen Unternehmungen werden getragen von dem Wirtschaftsleben der Läden im Erdgeschoss.

Nun gibt es in dem markanten Bau an der Wihelmshöher Allee Raum für neue Initiativen und Entwicklungsmöglichkeiten. Die SeminaristInnenzahlen steigen und ebenso die Eigenveranstaltungen und Vermietungen der Tagungsräume des AZ e.V. Bald schon wird im Institut über die Ausgestaltung eines weiteren Ausbildungsangebotes nachgedacht. Eine Höhere Berufsfachschule für Sozialassistenz beginnt mit ersten Kursen im Sommer 2000. Sie hat eine Struktur in der sich schulische mit praktischen Ausbildungsphasen blockweise abwechseln. Heute sind circa 50 Teilnehmer in dieser staatlich anerkannten Berufsfachschule welche dann auch Zusatzkurse für die Fachhochschulreife anbietet. In dieser Zeit entstehen unter anderem auch die Camp Projekte und ersten größeren künstlerischen Gemeinschaftsprojekte in der Ausbildungsarbeit des Institutes.

Im Jahr 2004 richtet das Kollegium des Rudolf- Steiner- Institutes, zusätzlich zur Vollzeitausbildung auch eine Teilzeitform für die staatlich anerkannte Fachschule für Heilpädagogik ein. Neue Unterrichtsräume müssen im Haus und in der nächsten Umgebung gefunden werden. Das Kollegium erweitert sich auf mittlerweile 15 Dozenten im Kernkollegium.

Der neuste Ausbildungsschwerpunkt entstand 2008 mit der Anmietung des „Waldhofes“, einem Gärtnerbetrieb mit Saatgutzucht, Obstanbau und anderem. Dort hat sich nicht nur eine Unterstufenschulklasse der Jean – Paul – Schule beheimatet, sondern auch die diversen Projekte der drei Ausbildungsgänge des Rudolf – Steiner – Institutes. Hier wird Pädagogik mit gärtnerischer Kulturarbeit verbunden, in der der 3,5 Hektar große Waldhof seit 25 Jahren steht.

21 Jahre nach der Vereinsgründung und bald 30 Jahre nach der Herauslösung aus der Freien Waldorfschule Kassel schauen wir dankbar auf die so vielfältigen Entwicklungen und sind gespannt, ob es uns weiterhin gelingt, der Zukunft entgegen zu arbeiten, die uns in den Kindern und in den jungen SeminaristInnen täglich aufs Neue entgegenkommt.

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